Kleidergesetze im 15. und 16. Jahrhundert Teil I
Reichsordnung von 1530
Heute möchte ich Ihnen einen kleinen "Vorgeschmack" zur Kleidung in
zurückliegenden Jahrhunderten vermitteln. Es war die Zeit der
Renaissance und Reformation in Deutschland. Es begannen sich
frühkapitalistische Verhältnisse herauszubilden. Ideologische und
soziale Grundlagen veränderten sich. Eine bürgerliche Mode
entstand. Die damals mustergültige italienische Mode zog in
Deutschland ein.
Lesen sie hier mit welchen Worten die Reichsordnung von 1530 beginnt.
In den nachfolgenden Abschnitten widmet sie sich den verschiedenen
Ständen der Gesellschaft. Kleidung wird damit zum
Erkennungsmerkmal des Zugestandenen.
Von unordentlicher und kostbarer Kleidung
Nach dem ehrlich, ziemlich und billig /
das sich ein jeder /
der Würde oder wo er hergekommen sei /
nach seinem Stand /
Ehren und Vermögen trage /
damit man in jeglichem Stand unterschiedlich erkannt sein möge /
so haben wir uns mit Churfürsten / Fürsten und Ständen nachfolgender
Ordnung der Kleidung vereinigt und verglichen/
die wir auch bei Strafe und Pein / darauf gesetzt /
gänzlich gehalten haben wollen.
Von Bauersleuten auf dem Land
Und erstlich setzen / ordnen und wollen wir /
dass der gemeine Bauersmann / und arbeitende Leut /
oder Tagelöhner auf dem Land / keine anderen Tuche /
denn inländisches / so in deutscher Nation gemacht /
doch stammt / lündisch / mechlisch / lirisch / *
und dergleichen gemeine Tuche /
ausgewählt tragen und anmachen mögen.
Und die Röcke nicht anders / dann bis zur halben Wade /
auch daran nicht über sechs Falten machen lassen sollen.
Doch mögen sie Hosen von einem lündischen, lirischen oder mechlischen Tuch / *
nachdem das selbige seiner Art nach / zu Hosen sich eignet /
und ein barchen Wams / * und große weite Ärmel /
machen lassen aber in allem unzerteilt /
unzerschnitten und unzerstückelt.
Weiter wollen wir /
dass sie keinerlei Gold / Silber / Perlin / *
oder mit Seiden ausgestickte Kragen an Hemden /
das mit Gold oder Seide gestickte Brusttuch /
Straußenfedern / oder seidenes Hosenband /
oder ausgeschnittene Schuhe / noch Barett /
sondern Hüte und Kappen / an- und auftragen.
Desgleichen ihren Weibern und Kindern sei darüber zu tragen nicht gestattet /
welche auch alle Kragen / übermütig / Schleier mit goldenem Rand /
goldene / silberne / und seidene Gürtel / Korallen-Paternoster /
alle / goldenen / silbernen / perlin / und seidene Gewänder / *
zu tragen verboten sein soll /
allein mögen ihre Töchter und Jungfrauen ein Haarband von Seide tragen.
Desgleichen mögen ihre Weiber zum höchsten einen lündischen Koller / *
und keinen anderen / denn schlechten Pelz /
als von Ziegenlämmern / und dergleichen schlechte Futter /
alles unverbrämt / tragen und machen lassen.
* Für die Begriffe fand ich nur z.T. Erläuterungen.
Wenn Jemand über Fachkenntnis dazu verfügt, freue ich mich über Ihren Kontakt
im Gästebuch unserer Internetseite www.heimatverein-treuenbrietzen.de
... ... Mehr lesen ... ... in der übernächsten Ausgabe 11/2023, in der "Von der
Juden Kleydung" berichtet werden wird.
Kerstin Franz
Kleidergesetze im 15. und 16. Jahrhundert
...Fortsetzung des Artikels
Reichsordnung 1530
In der Reichsordnung tritt hervor, dass nur einer einzigen Glaubensgemeinschaft
eine Vorschrift zur Kennzeichnung ihrer Religiosität angewiesen wurde.
Sie galt den Juden.
Unmittelbar auf den Satz zur Kennzeichnung als Jude folgen das
Durchsetzungsgebot und die Strafanordnung. Der selbe Textabschnitt sagt aus, was
bei Nichtbefolgen der gesamten Reichsordnung der Person des jeweiligen Standes
und seiner verordneten Tracht bevorsteht.
Von der Juden Kleydung*. Originaltitel
"Dessgleichen, dass die Juden einen gelben Ring an dem Rock* oder Kappe
allenthalben unverborgen / zu ihrem Erkennen / öffentlich tragen".
*Rock: Oberbekleidung wie Jacke, Mantel u.ä.
"Und damit diese unsere Satzung und Ordnung /
gegen übermäßige unordentliche Kleidung und Kleidungsstücke /
desto gehalten und vollzogen werde / so gebieten wir allen und jedem ...
Bürgermeistern / Richtern und Räten hiermit ernstlich und wollen /
dass sie für sich selbst diese unsere Ordnung strenglich einhalten /
auch gegen ihre Untertanen vollziehen / also wo jemand sie übertritt und überfährt /
soll eine jede Obliegenheit / selbst bei Verleihung der Kleidung und des
Kleidungsstückes / so wider dies unserer Ordnung getragen wird /
zu einer Geldbuße / so zweifach als viel / als die Kleidung oder das Kleidungsstück
der bürgerlichen Obliegenheit / des jeweiligen Ortes wert ist / strafen.
Und ob einige sich darüber hinweg Setzende in der Straf-und Handhabung säumig
und nachlässig erfinderisch und unseren Fiskal zur Abwendung ersuchen /
und darauf beharren würden /
als dann soll unser Fiskal gegen solche unzulässige Obliegenheit /
und auch dem überfahrenen Untertanen auf angekündigte Pein*
*Pein: Körperliche Bestrafung durch Schmerz, Qual, Folter
und Strafe prozessieren und verfahren.
K. Franz
Vom Kennzeichnen von Minderheiten bis zur Verfolgung
Unverzichtbar ist hier ein kurzer Rückblick in vergangene Jahrhunderte, in denen
Religion viel stärker den Alltag beeinflusste.
Im 4. Jahrhundert: "Mit dem wachsenden Einfluss des Christentums verstärkten sich
die feindlichen Tendenzen zur bewussten Abgrenzung vom Judentum. Mit falschen
Beschuldigungen z.B. der Kollektivschuld am Tod Jesu und der Hostienschändung
wurden die Juden sozial ausgegrenzt und verfolgt. Die Juden wurden rechtlos und
ihre Verfolgung reichsrechtlich sanktioniert durch die von Konstantin I.* und seinen
Nachfolgern erlassenen Gesetze." *Kaiser des Römischen Reichs (306-337 n. Chr.), Gründer
von Konstantinopel
Im 7. Jahrhundert: "Erstmals bekannt sind staatlich verordnete Maßnahmen aus der
Zeit des Kalifen Omar II. (717-720). Eine unterschiedliche Farbkennzeichnung für die
Kleidung religiöser Minderheiten wurde festgelegt, z.B. für Christen und für Juden.
Im 13. Jahrhundert: "Die Judenkennzeichnung, die auf dem 4. Laterankonzil* im
Jahr 1215 festgelegt wurde, diente vor allem der Diskriminierung" also der
Ausgrenzung, dem öffentlichen Herabsetzen und dem Benachteiligen. Sie "verbot"
Personen jüdischen Glaubens "die Übernahme öffentlicher Ämter und schrieb das
Kennzeichnen ihrer Kleidung vor u.a. durch bestimmte Abzeichen oder das Tragen
bestimmter Kleidungsstücke. Die Spuren der Verfolgung zogen sich durch viele
Länder Europas. * Konzil: Zusammenkunft von Bischöfen und Kirchenvertretern, um kirchliche
Angelegenheiten zu erörtern und zu entscheiden. Lateran: Ort in Rom
Im 18. Jahrhundert: "Erst unter dem Einfluss der Aufklärung wurden diese
Kennzeichen beseitigt."
Im 20. Jahrhundert: "Deutschland 1938, das nationalsozialistische Regime führte die
systematische Judenverfolgung wieder ein". Neuerlicher Hass führte "zu einem
Völkermord an Europäern" jüdischen Glaubens "in nie gekanntem Ausmaß".
Quelle: Brockhaus 2003
K. Franz
... ... Mehr lesen zu ... "Bürger und Einwohner in Städten" ... nächste Veröffentlichung 02 / 2024.